| 
 
            Zweiwochenschrift 
 
        Abonnement 10/2017 
  9/2017 
  8/2017 
  7/2017 
  6/2017 
  5/2017 
  Archiv Impressum
 
 Plattform SoPos
 
 |  |  | 
 Den Aufsatz kommentierenSchockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können.  Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror.
 Angriffsziel öffentlich-rechtlicher RundfunkVolker Bräutigam    Die Deutsche Welle darf getrost als  staatsfromm bezeichnet werden. Dennoch ist sie seit Monaten Zielscheibe  reaktionärer Gesellschaftsveränderer. Hauptaussage in deren  demokratiefeindlicher Kampagne: Der Sender verbreite besonders in den  Programmen für die Volksrepublik China kommunistische Propaganda (s. »Die  Wühlarbeit der Falun gong«, Ossietzky 21/08,  und »Verzerrte Wahrnehmung«, Ossietzky 22/08).  Mit diesen Vorwürfen beschäftigt sich jetzt sogar der Bundestag.Keiner der bisher mit öffentlichem Gezeter  aufgetretenen deutschen Beschwerdeführer hat je etwas über China publiziert.  Keiner von ihnen verfügt über sinologische Kenntnisse und Erfahrungen. Keiner  hat je in Fernost gelebt, geforscht oder ist einer der chinesischen Sprachen  mächtig. Sie alle übernahmen nur die Behauptungen einiger obskurer  exilchinesischer Gruppen, publizierten und agitierten auf bloßes Hörensagen  hin, ohne eigenständige Prüfung und ohne Belege – und erdreisteten sich  schließlich, den Bundestag aufzufordern, alle DW-Mitarbeiter auf eventuelle Mitgliedschaft in kommunistischen  Parteien zu überprüfen, gegebenenfalls Entlassungen vorzunehmen und einen  externen Zensor zur Programmüberwachung einzusetzen.
 Gemäß dem »Gesetz über die Rundfunkanstalt des  Bundesrechts, Deutsche Welle« strahlt der Sender seine  Programme fürs Ausland aus. In seinen Aufsichtsgremien sitzen mehrheitlich  Parteipolitiker aus Bundes- und Landesparlamenten sowie Regierungsvertreter.  Man darf sagen: Mit der verfassungsrechtlich gebotenen Staatsferne des  Rundfunks ist es bei der Deutsche Welle nicht weit her.
 Ein solcher hauptsächlich von CDU- und  SPD-Vertretern beaufsichtigter Rundfunkbetrieb unter Kommunismusverdacht? Man  hätte schon deshalb die Kampagne, an der sich viele Zeitungen beteiligten, als  Aufmerksamkeitsklamauk reaktionärer Banausen abtun können. Nicht so der  Deutsche Bundestag. Dessen »Ausschuß für Kultur und Medien« veranstaltete  vielmehr unter Hinzuziehung der Bundestagsausschüsse für Petitionen, für  Auswärtige Angelegenheiten, für Menschenrechte und humanitäre Fragen sowie des  Unterausschusses für auswärtige Medienpolitik eine nichtöffentliche Anhörung.  Und dies, obwohl bereits der (von den Regierungsparteien personell beherrschte)  Rundfunkrat der Deutschen Welle nach  umfassender Prüfung festgestellt hatte: Die Vorwürfe sind haltlos.
 Der Kulturausschuß des Bundestages wollte sechs  »Experten« hören, darunter nur zwei in der Rolle von Verteidigern. Einer der  beiden war ich als ehemaliger Tagesschau-Redakteur,  der nachmals viele Jahre in Fernost tätig gewesen ist. Die gesamte  Veranstaltung war nicht-öffentlich, ich sehe mich aber nicht verpflichtet, die  Leitgedanken meines Auftritts vor den Abgeordneten geheimzuhalten:
 Es ist angebracht, die Deutsche Welle in Schutz zu nehmen und die Kampagne des  »Autorenkreises der BRD« und anderer  gegen den Sender zurückzuweisen. Diese Kampagne beschädigt nicht nur einen  Sender, sondern verletzt konstitutive Freiheitsrechte. der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine demokratische  Errungenschaft der Nachkriegszeit. Er mußte unserem Land als Ersatz für den  großdeutschen Nazi-Rundfunk von den Briten regelrecht verordnet werden, denn  deutschen Wünschen entsprach er anfänglich nicht. Wenige Jahre später  versuchten konservative Kräfte zwar erneut, einen Staatsfunk einzurichten,  verschleiert als bundeseigenen Privatsender, das sogenannte Adenauer-Fernsehen.  Sie scheiterten aber am Bundesverfassungsgericht.
 Dieses Gericht hat seither in allen seinen  Rundfunk-Urteilen festgestellt: Radio und Fernsehen in Deutschland sind  staatsfern zu organisieren, nach dem öffentlichen Recht. Staatliches Einwirken  in die Programmtätigkeit ist unzulässig. Der Staat muß vielmehr die Freiheit  des Rundfunks aus der Distanz garantieren. Die Deutsche Welle wird zwar aus Steuermitteln finanziert und sendet  fürs Ausland. Aber auch sie darf kein Staatssender, sondern muß ein öffentlich-rechtlicher  Betrieb sein. Allein Rundfunkrat und Intendant haben darüber zu wachen, daß der  Sender seine Programmrichtlinien einhält. Doch selbst die Rundfunkräte haben  kein präventives Kontrollrecht im Sinne einer Zensur, sondern nur Nachprüfungsrechte  an bereits ausgestrahlten Sendungen.
 Das Deutsche Welle-Gesetz verbürgt in  Paragraph 61: »Die Deutsche Welle unterliegt keiner staatlichen Fachaufsicht.« Wozu dann eine solche Anhörung im  Bundestag? Rechtlich und richtig besehen hat diese Veranstaltung nicht mehr  Relevanz als ein Urlaubsgeplauder übers Wetter.
 Presse-, Rundfunk- und Meinungsfreiheit sind  konstitutiv für unsere Demokratie. Man kann der Meinung Dritter widersprechen,  sie unangemessen oder falsch nennen. Doch zu verlangen, Meinungsäußerungen zu  unterbinden, und seien die auch noch so kontrovers, ist mit unserem Recht und  unserem Freiheitsverständnis unvereinbar. Für gute Programme unabdingbar ist  es, die Freiheit der Sender zu hüten, sie auch vor Pressionsversuchen von  Interessengruppen zu schützen.
 Das Ergebnis der Anhörung wird nun in den  Ausschüssen beraten. Was auch immer dabei herauskommt und selbst wenn die  Kampagne im Sande verläuft: Folgenlos ist sie für den Sender nicht. Der Leiter  der China-Redaktion wurde bereits seines Postens enthoben, ebenso seine  Stellvertreterin. Ein rigides Kontrollsystem in der Redaktion soll anscheinend  nun alles ausfiltern, was nicht von vornherein rund und stromlinienförmig war.  Intendant und Programmdirektor waren zu schwach, dem politische Druck zu widerstehen,  und haben es in die Redaktionen durchhageln lassen. Das steigert nach aller  Lebenserfahrung die Neigung zur Selbstzensur.
 
 Erschienen in Ossietzky 1/2009 
 |