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 Ein HerrenmenschDieter Schenk   Conrad  Taler schildert in Ossietzky 25/08  den Fall eines SS-Obersturmführers, der 1942 in Charkow eine russische  Tänzerin, mit der er ein Verhältnis eingegangen war, erschießen ließ. Das ihn  freisprechende Urteil aus dem Jahre 1967 wurde von furchtbaren Juristen des  Bundesgerichtshofes bestätigt, die eine goldene Brücke zur angeblichen  Verjährung bauten.Ich möchte dazu noch einige weitere Informationen  geben; sie stammen aus den Akten der Staatsanwaltschaft Wiesbaden.
 Bei dem SS-Mann handelte es sich um Oskar Christ,  seit 1953 Polizeioberrat der Schutzpolizei Wiesbaden. Er nannte sich Kommandeur  der Schutzpolizei. Der ehemalige Herrenmensch war nun ein Herrenreiter; an  warmen Sommertagen ritt er auf einem Dienstpferd, das nur ihm zur Verfügung  stand, in Uniform durch die belebte Wiesbadener Wilhelmstraße. Bei seinen  Kollegen war er nicht sonderlich beliebt, er galt als arrogant, herrisch, kalt  und ehrgeizig.
 Christ hatte als Kompanieführer dem berüchtigten  Polizei-Bataillon 314 angehört, dem zur Last gelegt wird, das Sonderkommando 4a  bei Judenerschießungen unterstützt zu haben.
 Einen Mörder aus niedrigen Beweggründen und  Heimtücke darf man ihn nicht nennen, denn das Schwurgericht Wiesbaden kam 1967  nicht zu einer Verurteilung, obwohl der Sachverhalt klar war. Christ wurde  vorgeworfen, mit der Tänzerin Vera vom Stadttheater Charkow eine  Liebesbeziehung eingegangen zu sein, was nach einem Erlaß Himmlers verboten war  (Geschlechtsverkehr mit »Andersrassigen«). Himmler behielt sich vor, jeden Fall  persönlich zu entscheiden. Als das Mädchen von Christ schwanger wurde und  daraus keinen Hehl machte, soll Christ seinen »Burschen« Josef Neubauer  beauftragt haben, Vera zu erschießen. Neubauer tötete sie auf dem  Unterkunftsgelände der Einheit.
 Die Ermittlungen gegen Christ, der nunmehr 53 Jahre  alt war, führte das Hessische Landeskriminalamt. Nach der Festnahme am 29.  April 1965 wurde Haftbefehl erlassen. Die Beamten des LKA wunderten sich,  welche politische Prominenz den Beschuldigten in der Haftanstalt Limburg/Lahn  besuchte, angeführt vom Wiesbadener Oberbürgermeister.
 Christs intimer Umgang mit Vera war in der Kompanie  bekannt gewesen. Der Kompanieführer gab das Verhältnis zu, beteuerte jedoch,  keine Feststellung hinsichtlich einer Schwangerschaft gemacht zu haben; Vera  habe eine solche Behauptung aufgestellt, um ihn an sich zu binden oder sich  interessant zu machen. Als der Verdacht aufkam, daß es sich bei Vera um eine  Spionin handele, habe nicht er, sondern der Bataillonsadjutant Oberleutnant  Steinmann die Erschießung angeordnet; er selbst habe damit nichts zu tun.
 Die LKA-Beamten vernahmen über zwanzig Angehörige  der Einheit. Diese sagten aus, daß Neubauer das Mädchen aus Christs  Unterkunftsbaracke zerrte und daß Vera weinte und rief, sie sei keine  Partisanin. In einem abgelegenen Bereich der Unterkunft fiel dann der Schuß,  den fast alle hörten. Einige sahen Tage später Teile der nur notdürftig  verscharrten Leiche. In der Kompanie herrschte Empörung über den Vorfall. Auch  hatte niemand Zweifel, daß Christ den Erschießungsbefehl gegeben hatte. Der  unmittelbare Beweis dafür fehlte jedoch, weil Neubauer und Steinmann den Krieg  nicht überlebten.
 Christ gab auch zu, daß »in zwei oder drei Fällen«  sein Zug ein Exekutionskommando habe stellen müssen, in anderen Fällen hätten  seine Leute abgesperrt. Allerdings will er nur kurz am Exekutionsort »verweilt«  haben, »das Kommando führte der SD«.
 Christ kehrte nicht in den Polizeidienst zurück,  erreichte ein hohes Alter, und der Staat zahlte ihm eine satte Pension.  Jährlich sah man ihn auf dem Reitturnier zu Pfingsten im Schloßpark Wiesbaden-Biebrich.
 
 Erschienen in Ossietzky 1/2009 
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