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 Koch als BewährungshelferArno Klönne    In  Hessen steht wieder einmal eine Landtagswahl an. Eigentlich wäre sie, glaubt  man den Demoskopen und Journalisten, überflüssig, denn das Ergebnis steht für  sie schon fest: Roland Koch wird Ministerpräsident, nicht nur kommissarischer.  Ist diese Wahl also nur eine Formsache? Keineswegs, denn sie bietet Gelegenheit  zur weiteren Disziplinierung der SPD; dieser Partei soll das Liebäugeln mit der  linken Konkurrenz abgewöhnt werden. Andrea Ypsilanti, längst abgestraft und  vermutlich nicht mehr lange Landes- und Fraktionsvorsitzende, muß dafür noch  einmal als Schreckgespenst herhalten. »Wortbruch«, so Roland Koch, sei der  »Schlüsselbegriff des hessischen Wahlkampfes«. Auf breiter Front setzen die  Medienkonzerne ihre Kampagne gegen die »Ypsilanti-Neigungen« in der SPD fort,  vor denen das Wählervolk sich fürchten soll; über die »Brutalität« der nach  links hin kooperationswilligen Genossinnen und Genossen ließ der stern die wackere Antikommunistin Dagmar  Metzger klagen. Auch die  Frankfurter Rundschau, obwohl immer noch zu 49 Prozent im Eigentum der  sozialdemokratischen Vermögensgesellschaft, kommt der hessischen SPD nicht zur  Hilfe; offenbar genügt es dieser Zeitung nicht, zur Demontage des  Ypsilanti-Projekts wesentlich beigetragen zu haben. Die SPD in Hessen, so wird  das Kalkül sein, braucht erst einmal eine Zeit der Bewährung. »Nach dem  hessischen Desaster stehen die Sozialdemokraten nicht gut da«, heißt es in der  Überschrift eines FR-Wahlkampfberichtes,  und das illustrierende Foto dazu ist vielsagend: Plakate mit Schäfer-Gümbel und  Koch sind zu sehen, aber der CDU-Kandidat hat den bildsymbolischen Vorteil, daß  unter seinem Konterfei ein Auto als Wohlstandssymbol steht, »Stabilität für  Hessen« liest man da, und Schäfer-Gümbel geht leer aus. Kein Wunder, denn dank  rühriger Betriebsräte der Gewerkschaft Chemie-Papier-Keramik ist ja bekannt:  Die hessische SPD ist »industriefeindlichen« Versuchungen erlegen – Fraport  läßt grüßen.
 Aber weshalb diese feldzugartig inszenierte  Aufregung über den Ypsilanti-Sündenfall?
 Und  warum wird diese Kampagne immer noch weitergeführt, obwohl die Hexe längst  verbrannt ist?
 Es geht bei alledem nicht nur darum, die hessische  Landespolitik weiter in der Regie eines Ministerpräsidenten zu halten, der  dafür bürgt, daß unternehmerischen Interessen niemand in die Quere kommt.  Bundespolitische Strategien sind mit im Spiel: Der Sieg von Roland Koch soll  über Hessen hinaus Zeichen setzen. Erstens dafür, daß die Union im Bündnis mit  der FDP mehrheitsfähig ist, und wer weiß, vielleicht braucht Angela Merkel  demnächst mal einen Nachfolger. Koch gilt als Mann für harte Zeiten, er hat  schon ganz andere Affären durchgestanden als einen »Wortbruch«. Zweitens wird  der SPD am Fall Hessen beigebracht, was sie sich leisten darf – und was nicht.  Sie bekommt mit Kochs Erfolg sozusagen eine Bewährungsfrist mit Auflage:  Koalitionen mit der Linkspartei sind ihr erlaubt, wo diese – wie in Berlin –  dazu dienen, Hinterlassenschaften aus der DDR politisch einzugemeinden, ihnen  den oppositionellen Stachel zu nehmen. Im Terrain der Alt-Bundesrepublik gilt  das nicht, hier wird als Risiko gesehen, daß der Kontakt zu »Kommunisten und  Trotzkisten« bei der SPD »Umverteilungsphantasien« anstacheln könnte (so die  hessische Initiative »Wir lassen uns nicht linken«). Das darf nicht sein, denn  als parteipolitische Reserve soll die SPD intakt bleiben – möglicherweise  werden irgendwann wieder regierende Sozialdemokraten gebraucht, um soziale  Abbrucharbeiten als arbeitnehmerfreundlich darzustellen.
 So erklärt es sich auch, daß jetzt in der  Springerpresse angedeutet wird, notfalls müsse der SPD-Bundesvorsitzende noch  einmal ausgewechselt werden. »Hat die SPD wieder den falschen Vorsitzenden?«  schrieb neulich der einstige revolutionäre Kämpfer und nunmehrige Welt-Chefredakteur Thomas Schmid, womit  er Franz Müntefering und seine Partei ultimativ vor einem »Schritt nach links«  warnte.
 Ob Müntefering da mit unnötigem Mißtrauen betrachtet  wird und ob man in den massenmedialen Stabsstellen vielleicht auch die  subversive Kraft der Linkspartei überschätzt, mag offen bleiben.
 
 Erschienen in Ossietzky 1/2009 
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