Den Aufsatz kommentieren Ent-sorgte KritikSozialpsychologie in Hannovervon Assoziation Kritische Sozialpsychologie Die Hannoversche Sozialpsychologie begnügte sich in ihrer einstigen Ausrichtung als Teil einer interdisziplinären kritischen Sozialwissenschaft nie damit, gesellschaftliche Verhältnisse einfach abzubilden und zu ordnen. Vielmehr hatte sie sich forschend den Fragen gewidmet, woher das Elend der Menschen in dieser Gesellschaft rührt und wie es um das Verhältnis Individuum versus Gesellschaft unter spezifischen historischen Herrschaftsverhältnissen und -strukturen bestellt ist. Im Zuge des Umbaus der Hochschulen hin zu marktorientierten Dienstleistungsunternehmen steht sie nun vor ihrem Aus. Die Sozialpsychologie sollte, so die Intention ihrer Gründung, als politische Psychologie (d.h. als eine, die Stellung bezieht zu den gesellschaftlichen Verhältnissen) die beiden anderen Säulen der Hannoverschen Sozialwissenschaft - die Soziologie und die Politikwissenschaft - in ihrer gesellschaftskritischen Orientierung unterstützen und ergänzen. Sie fokussierte dabei, im Rückgriff auf eine Tradition psychoanalytisch fundierter Sozialforschung, auf die unbewussten Dimensionen menschlichen Handelns. Profilgebend waren und sind bis heute inhaltliche Schwerpunkte wie die Analyse von Gewaltphänomenen (Jugendgewalt; Folter und Vergewaltigung; Amok; Kindstötung, -misshandlung und -verwahrlosung), die Aufarbeitung des Nationalsozialismus, die Antisemitismus-, Vorurteils- und Rechtsextremismusforschung, die Bearbeitung von Fragen der Gender Studies sowie die Untersuchung sozialer Ursachen von Sucht- und Angstphänomenen. Diese mittlerweile im deutschsprachigen Raum einzigartige kritisch-psychoanalytische Ausrichtung stößt nach wie vor bei den Studierenden auf ein immenses Interesse. Ungeachtet der Aktualität und gesellschaftlichen Relevanz der Themen und Fragen einer so verstandenen Sozialpsychologie und trotz der Beliebtheit des Fachs bei den Studierenden, wurde diese Art von Sozialwissenschaft in Hannover schon weitestgehend demontiert und droht damit aus der deutschsprachigen universitären Landschaft gänzlich zu verschwinden. Nicht nur schrumpfte die Politische Psychologie von einer grundsätzlichen wissenschaftlichen Ausrichtung zu einem Fachbereich unter anderen. Nach drastischen Stellenkürzungen und durch eine institutionelle Zusammenlegung mit dem Fach Soziologie zunehmend marginalisiert, ist die Möglichkeit der Neuausschreibung einer für die Aufrechterhaltung einer kritisch-psychoanalytischen Ausrichtung unabdingbaren Professur für Politische Psychologie und der mit dieser Stelle verbundenen Mitarbeiter(innen)-Stellen in weite Ferne gerückt. Die Kennzeichnung einer kritischen Sozialpsychologie als wissenschaftliches Auslaufmodell geschieht sichtbar im Zeichen einer sehr bedenklichen allgemeinen Umstrukturierung der Hochschulen zu bloßen Zulieferbetrieben für Wirtschaft und Politik. Die auf ökonomische Rentabilität ausgerichtete betriebswirtschaftliche Logik, an der die neuen Universitäten gemessen werden und nach der sie drastisch umgeformt werden, steht im völligen Gegensatz zu einer für wissenschaftliches Denken unabdingbaren Freiheit von Forschung und Lehre und einer anzustrebenden Demokratisierung der Hochschulen. Warum diese verheerenden Umstrukturierungsprozesse so reibungslos ihren Lauf nehmen können, weder die Studierenden noch die Hochschulangestellten diesen Prozessen einen ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen versuchen, ist selbst eine nur mit Mitteln einer kritischen Sozialpsychologie zu beantwortende Frage. Eine emanzipatorisch verstandene Sozialpsychologie, die kritisch sozialwissenschaftliches Denken und Forschen fördert, wird am Studienstandort Hannover noch betrieben und vehement durch die Studierenden verteidigt. Die Assoziation Kritische Sozialpsychologie - das sind Studierende der alten und neuen sozialwissenschaftlichen Studiengänge der Leibniz Universität Hannover - fordert, dass Entscheidungsträger, Dozierende und Studierende sozialwissenschaftlicher Institute ihre Positionen, Entscheidungen und Handlungen gerade in diesen Zeiten des Umbruchs grundsätzlich reflektieren und diskutieren. In der jetzigen Schrumpfform und ohne längerfristige Planungssicherheiten ist die Hannoversche Sozialpsychologie weder arbeits-, lehr-, noch forschungs- oder publikationsfähig. Den Studierenden muss ein planbares und adäquat betreutes Studium nicht nur auf dem Papier zugesichert, sondern auch in der Praxis ermöglicht werden. Der Assoziation Kritische Sozialpsychologie geht es nicht darum, nostalgisierend zu vermeintlich besseren "alten Zeiten" zurückzukehren. Die Unterwerfung der Forschung und Lehre unter Profitsteigerungsmaximen bedeutet jedoch den Verlust jedweder Forschungsdistanz und Kritikfähigkeit. Deshalb müssen neue, von ökonomischen und politischen Sachzwängen freie Ressourcen und Strukturen geschaffen werden, die ein selbstkritisches und damit auch gesellschaftskritisches Forschen, Lehren und Studieren unterstützen und fördern. Die Assoziation Kritische Sozialpsychologie sieht sich in ihrer gesellschaftlichen und intellektuellen Verantwortung nicht nur dazu verpflichtet, auf diese Missstände hinzuweisen, sondern auch eine sofortige Neuetablierung einer unbefristet forschungs-, lehr- und kritikbefähigten Sozialpsychologie Hannover einzufordern. Nur so kann diese einzigartige Tradition kritisch-psychoanalytischer Sozialforschung gerettet werden. Die Assoziation Kritische Sozialpsychologie ist ein Zusammenschluß von Studierenden der alten und neuen sozialwissenschaftlichen Studiengänge der Leibniz Universität Hannover. Petitionstext:
sopos 7/2008 | ||
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