Zur normalen Fassung

Fußball statt Bednarz

Von Eckart Spoo

Jede dritte Woche einmal ein bißchen Wahrheit - ist das zuviel verlangt von der ARD? Erträgt sie diese drei Viertelstündchen politische Aufklärung nicht mehr? Muß "Monitor" verschwinden?

Als im Frühjahr 1999 die Bundesregierung und die NATO Lügen über Lügen verbreiteten, um den Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu rechtfertigen, log das deutsche Fernsehen auf allen Kanälen eifrig mit. An zwei Abenden jedoch kam verleugnete Kriegswirklichkeit zum Vorschein: "Monitor" zeigte unter anderem, daß die Aggressoren völkerrechtlich geächtete Waffen einsetzten. Ich war gespannt auf die dritte "Monitor"-Sendung, die während des Krieges turnusmäßig hätte ausgestrahlt werden müssen. Sie hätte vieles zu korrigieren gehabt, was allabendlich in der "Tagesschau" und anschließend im "Brennpunkt" aus München behauptet wurde. Aber sie fiel aus. Und zwar wegen des "Brennpunktes", wie dem Publikum mitgeteilt wurde. Sie wurde nicht um 15 oder 20 Minuten verschoben, wofür ich Verständnis gehabt hätte; manchmal fängt ja auch ein Spielfilm wegen einer eingeschobenen aktuellen Sendung etwas später an als geplant. Nein, sie fiel aus - und ausgerechnet wegen des "Brennpunkts", den sie hätte dementieren müssen.

Der Ausfall blieb kein Einzelfall, sondern wurde inzwischen schon eher zum Normalfall. Im vergangenen Jahr waren von 16 zu erwartenden "Monitor"-Sendungen nur fünf zur üblichen Zeit am Donnerstagabend zu sehen; die übrigen wurden verschoben, verkürzt oder ganz gestrichen. In diesem Jahr mußten wir zum Beispiel am 23. März (Jahrestag des Kriegsbeginns) auf das Magazin mit der höchsten Einschaltquote verzichten, weil die Programmverantwortlichen das UEFA-Pokalspiel Bremen-London für wichtiger befanden. Am 9. November (einem Datum, zu dem Klaus Bednarz einiges zu sagen und zu zeigen gehabt hätte) wurde uns statt "Monitor" das UEFA-Pokalspiel Kaiserslautern-Saloniki verordnet, am 30. November hatte Kaiserslautern ein UEFA-Pokalspiel in Glasgow zu bestreiten, weswegen nun schon gewohnheitsmäßig die politische Aufklärung aus dem Programm gekickt wurde und die "Monitor"-Redaktion ihre vorbereiteten Beiträge in das Tiefkühlfach legen mußte, wo nun schon viele ehemals heiße Eisen liegen. Die am 21. Dezember fällige "Monitor"-Sendung jedoch - das Wort fällig hat in der ARD einen neuen Sinn erhalten - wird ausnahmsweise nicht wegen eines Auftritts der von der Firma 1. FC Kaiserslautern zusammengekauften Fußballspieler, nicht wegen eines UEFA-Pokalspiels ausfallen, sondern, wie bereits angekündigt, wegen eines Weihnachtsprogramms, obwohl Weihnachten erst einige Tage später im Kalender steht.

Andere politische Magazinsendungen der ARD mußten ebenfalls bisweilen, nicht so häufig wie "Monitor", der "Tour de France" weichen oder für "Die großen Drei der Volksmusik" Platz schaffen. "Kontraste" zum Beispiel fiel sowohl im Juli (Fußball-Europameisterschaft) als auch im August ("Stars 2000") aus, woraufhin sich Bednarz sogar veranlaßt sah, seiner Kollegin Petra Lidschreiber einen ihm verbliebenen Sendetermin im September zu überlassen; aber diese "Kontraste"- statt "Monitor"-Sendung wurde dann prompt ebenfalls verschoben - zugunsten der überaus wichtigen Sendung "Die Goldene Stimmgabel".

Und das ZDF? Es will im kommenden Jahr "Kennzeichen D" durch ein neues Magazin ersetzen, dessen Planer sich schon mit solchen Themen beschäftigen wie "Warum spielt die deutsche Fußballmannschaft so jämmerlich?"

Zur Sache geht es fast nirgendwo mehr, Kritik ist - bis wir im Januar vielleicht doch noch einmal Klaus Bednarz' "Monitor" zu sehen bekommen - erfolgreich eliminiert.

Politik aber wird im Fernsehen darauf reduziert, daß einige Politikdarsteller sich in sogenannten Nachrichtensendungen spreizen oder in Talkshows miteinander blödeln. Zur Sache geht es fast nirgendwo mehr, Kritik ist - bis wir im Januar vielleicht doch noch einmal Klaus Bednarz' "Monitor" zu sehen bekommen - erfolgreich eliminiert.

Unter denen, die in Deutschland die Demokratie ruinieren, ist auf einem der vordersten Plätze der Programmdirektor der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands, Günter Struve (München), zu nennen, der Hauptverantwortliche für die Programmänderungen. Ein großer Freund des Profi-Fußballs.



Dieser Artikel erschien im Ossietzky 25, 3. Jhg.
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